Rechtsfragen nach einem Suizid

Häufig sehen sich Hinterbliebene von Suizidopfern vor einem riesigen Berg an organisatorischen Angelegenheiten, die sie zusätzlich zu ihrer hohen emotionalen Belastung und Trauer bewältigen müssen. Manchmal tauchen dabei auch Fragen zu rechtlichen Angelegenheiten auf. Auf dieser Seite finden Sie Antworten auf typische rechtliche Fragen.

Die Antworten wurden von Rechtsanwalt Ulli Kowald zusammengestellt. Weitere Informationen finden Sie auch in der Broschüre "Suizid und Recht" aus der AGUS-Schriftenreihe: „Hilfen in der Trauer nach Suizid".

Frequently Asked Questions (FAQs)

1) Der Suizid meiner geliebten Person hat einen materiellen/finanziellen Schaden verursacht. Wer haftet dafür?

Sie müssen theoretisch mit Schadenersatzforderungen rechnen, wenn Sie entweder rechtlich mit der verstorbenen Person verbunden sind (= Erbe sind) oder wenn Sie tatsächlich am Suizid im Sinne einer Beihilfe beteiligt waren.

Sie haften allerdings nur für Schaden, der an Körper (z.B. Arbeitsunfähigkeit), Gesundheit (z.B. psychisches Leiden), Eigentum oder Besitz (z.B. Zugschaden) entstanden ist. Für einen Schaden am Vermögen als solches müssen Sie nicht haften.

Haftung aufgrund rechtlicher Verbundenheit

Eine Haftung für entstandenen Schaden kann dann zustande kommen, wenn Sie familienrechtlich mit der Person verbunden sind. Das heißt, Sie haften für Kinder, Ehe- oder eingetragene Lebenspartner und Eltern, weil diese Personen als Erben in Betracht kommen. Wenn der Suizident andere geschädigt hat, haftet er in einer juristischen Sekunde unmittelbar vor seinem Tod. Diese Verbindlichkeit vererbt er an seine Erben. Danach haften die Erben im Grundsatz.

In der Praxis haften die Erben jedoch nicht oder nur beschränkt. Es gibt mehrere Methoden, mit denen ein Erbe eine Haftung verhindern kann. Er kann das Erbe beispielsweise ausschlagen oder eine Nachlassinsolvenz beantragen. Es ist auch möglich, die Haftung zu beschränken (beschränkte Erbenhaftung). Der Erbe - wenn er es richtig macht - haftet nur mit dem ererbten und nicht mit eigenem Privatvermögen.

Bei Suizid eines Arbeitnehmers haftet der Arbeitgeber nicht, und beim Suizid eines (nicht eingetragenen) Lebenspartners haftet der überlebende Lebenspartner ebenfalls nicht.

2) Können andere unmittelbar Betroffene des Suizides (z.B. Zugfahrer, Passanten) mich auf Schadensersatz (z.B. aufgrund von entstehenden psychischen Erkrankungen) verklagen. Was kommt dann auf mich zu?

Theoretisch können Sie auf Schadensersatz von unmittelbar Betroffenen verklagt werden – wenn Sie familienrechtlich mit der Person verbunden sind oder eine aktive Beihilfe zum Suizid geleistet haben (siehe Punkt 1). Praktisch gesehen haften Sie als Angehöriger jedoch nicht für die Folgen eines Suizides, da Sie die Möglichkeit haben, das Erbe nach dem Tod des Suizidenten auszuschlagen.

3) Ich vermute, dass der Arzt/Therapeut Schuld hat, dass sich meine geliebte Person das Leben genommen hat. Welche rechtlichen Schritte kann ich einleiten?

Wenn Sie der Überzeugung sind, dass der behandelnde Arzt oder Psychotherapeut des Verstorbenen einen Behandlungsfehler begangen hat, können Sie Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstatten. Für das Verfahren wird in der Regel ein Gutachten über die Behandlung notwendig, anhand dessen beurteilt wird, ob ein tatsächlicher Fehler aufseiten des Arztes oder Psychotherapeuten vorlag.

Eine Alternative zur Anzeige ist es, sich an die Ärztekammer oder Psychotherapeutenkammer Ihres Bundeslandes zu wenden. Dort gibt es sogenannte Beschwerdestellen, an die Sie sich mit der Behauptung eines ärztlichen/psychotherapeutischen Fehlers wenden können. In der Regel müssen Sie zunächst eine schriftliche Beschwerde einreichen. Der behandelnde Arzt/Psychotherapeut wird daraufhin aufgefordert, seine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Kommission der Ärzte- oder Psychotherapeutenkammer beauftragen dann Justiziaren und fachliches Personal, die zusammen mit einem Vertreter des Kammervorstandes den Fall umfassend prüfen. Dabei werden auch Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Bei schwerwiegenden Verstößen leitet die Kammer berufsgerichtliche Verfahren gegen den Arzt / Psychotherapeuten ein.

Mehr Informationen finden Sie auch bei Ihren Landesärzte- und Landespsychotherapeutenkammern.

4) Ist es möglich, dass ich wegen fahrlässiger Tötung verklagt werde (z.B. Wenn sich mein Kind/Partner in meinem Haus das Leben genommen hat?)

Fahrlässig handelt, wer nach seinen persönlichen Maßstäben, Kenntnissen und Verhältnissen a) eine Tötung vorhersehen und vermeiden kann und b) zum Suizidenten in einem solchen Verhältnis steht, dass er zum Handeln verpflichtet ist. Dazu kommt, dass allein der bloße Ort des Suizids keine Strafbarkeit auslöst. In der Praxis sind Strafverfahren gegen Angehöriger von Suizidenten aufgrund fahrlässiger Tötung äußerst selten.

5) Welche Leistungen übernehmen welche Versicherungen (z.B., Lebensversicherung, Haftpflichtversicherung)?

In erster Linie übernehmen die Erben des Suizidenten die Kosten für die Beerdigung. In einigen Fällen werden sie auch von den Privaten Krankenversicherungen übernommen werden. Gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen keine Kosten.

Die Haftpflichtversicherungen zahlen in der Regel nicht, da sie nur bei fahrlässigen Handlungen Kosten tragen, nicht aber bei vorsätzlichen Taten (was ein Suizid darstellt).

6) Welche Informationen dürfen Medien nicht über den Suizid veröffentlichen?

Medien dürfen keine Fotos oder Namen veröffentlichen und keine Details, die eine Individualisierung erlauben, so dass aus den Details auf die Person geschlossen werden kann.

7) Wer zahlt die Kosten für den Transport des Leichnams und der Obduktion?

Obduktionen werden in der Regel von der Staatsanwaltschaft angeordnet, die auch die Kosten tragen.

Es kommt vor, dass die Staatsanwaltschaft auf eine Obduktion verzichtet, die Angehörigen aber auf eine Obduktion bestehen. Dann geben die Angehörigen die Obduktion in Auftrag und müssen sie auch bezahlen.

Wer die Kosten für den Transport des Leichnams übernimmt, hängt von den jeweiligen Polizeigesetzen der Bundesländer ab. In der Regel werden die Kosten staatlich finanziert.

8) Meine verstorbene Person hat kein Testament hinterlassen. Wie wird das Erbe geregelt?

Erben sind:

Wenn Kinder verstorben sind, sind ihre Eltern die rechtlichen Erben (Ausnahme: die Kinder haben selbst Nachkommen).

Wenn Eltern verstorben sind, sind die Erben die/der jeweilige Ehegatte/-in oder die Kinder.

Bei Ehegatten ist überlebende Ehegatte der rechtliche Erbe. In einigen Fällen können auch die Kinder und/oder die Eltern als Erben fungieren. Diese Frage hängt von den rechtlichen Verhältnissen zwischen den Ehegatten ab, wie sie z.B. in einem Ehevertrag geregelt werden.

Lebenspartner ohne eine eingetragene Lebenspartnerschaft sind rechtlich nicht verbunden und erben somit nicht.